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Die Zucht der Süßwasserperlen
Ein Artikel über die Entwicklung der Süßwasserzuchtperlen.
1962 begann Professor Xiong Daren, der am Fischinstitut von Zhanjiang auf der Halbinsel Leizhou arbeitete, mit Experimenten zur Zucht von kernlosen Perlen. Er verwendete die Süßwassermuschel Hyriopsis cumingii. Schon im gleichen Jahr konnte die von ihm entwickelte Technologie auf Süßwasserfarmen in der Provinz Jiangsu praktisch angewendet werden.
Die Farmen lagen in der Nähe von Suzhou, etwas 80 Kilometer von Schanghai entfernt, und wurden von Mitarbeitern der Universität Schanghai überwacht, nachdem Prof. Xiong selbst die ersten Schulungen durchgeführt hatte. Die erste Ernte erfolgte 1965/66. Sie ging ausnahmslos an japanische Händler, die die Perlen ohne besondere Nennung des Ursprungs zusammen mit den Süßwasserzuchtperlen aus dem Biwa-See auf den Markt brachten. Die Öffentlichkeit wusste zu diesem Zeitpunkt noch nichts von der Existenz chinesischer Süßwasserzuchtperlen.
1967 kamen Farmer in der unmittelbaren Umgebung von Schanghai hinzu. Der Amerikaner John Latendresse, der die Farmen im gleichen Jahr besuchte, schätzte die Gesamtproduktion bereits auf eine halbe Tonne. 1972 war sie auf 11 Tonnen angestiegen, in den folgenden Jahren verlief die Produktionskurve steil nach oben, aber erst ab 1982 gerieten die Preise proportional dazu in den freien Fall.
1971 gab die offizielle rot-chinesische Nachrichtenagentur zum ersten und einzigen Mal bekannt, dass chinesische Wissenschaftler eine neue Methode zur Zucht von Perlen entwickelt hätten, die es nicht mehr erforderlich mache, einen Fremdkörper in die Muschel einzusetzen.
Erstmals 1972 kernlose Perlen auf einer Schmuckmesse
1972 wurden auf der Schmuckmesse in Guangzhou (Kanton) zum ersten Mal kernlose Süßwasserzuchtperlen aus China offiziell angeboten. Die Partie ging geschlossen und unbearbeitet zum Preis von etwas 500.000,00 US$ an zwei japanische Perlenhändler. Ab diesem Zeitpunkt wurde auf dem Weltmarkt nach und nach bekannt, dass es auch in China kernlose Süßwasserzuchtperlen gibt. Mitte der siebziger Jahre kamen die ersten europäischen Händler direkt nach China. Der Perlenhandel vertrat damals die Meinung, dass die chinesische Zucht mit japanischer Hilfe unter Verwendung von Hyriopsis schlegelii entwickelt worden war. Zur gleichen Zeit erhöhten sich die Produktionsmengen aus dem japanischen Biwa-See, und nicht wenige im Handel stellten stellten sich insgeheim die Frage, ob wirklich alle neuen Perlen aus dem Biwa-See kommen konnten.
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Bis Anfang der achtziger Jahre gelangte die chinesische Produktion fast ausschließlich über Japan auf den Weltmarkt. Die Perlen wurden als ‚Product of Japan‘ deklariert und zunächst konnten nur erfahrene Händler sie von den Perlen aus dem Biwa-See unterscheiden. Die chinesischen Perlen traten in den gleichen Farben, Formen und Größen auf. Im Juni 1975 stellte das Schweizer Uhren- und Schmuckjournal die farbige Perlenmode der siebziger Jahre vor und betonte, dass es über die ‚Chinaperle‘ nur wenig Informationen gäbe. In der ersten Jahreshälfte 1978 nahmen die chinesischen Perlen wertmäßig bereits einen Anteil von 60 Prozent am japanischen Export von Süßwasserzuchtperlen ein. Die Nachfrage auf dem Weltmarkt stieg enorm an, und China geriet in Lieferschwierigkeiten, daraus folgten Preissteigerungen um bis zu 50 Prozent.
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Ende der siebziger Jahre wandten sich bereits mehr ausländische Händler direkt nach China, dort konnten sie aber nur geringe Mengen erwerben. Im Juli 1978 wurde das Schanhai Fisheries Reseach Institute gegründet, dessen Aufgabe vorher vom East China Sea Fisheries Research Institute wahrgenommen worden war, das dem chinesischen Fischereiministerium unterstand. Eine Abteilung unter der Leitung von Frau Huang, einer engagierten Wissenschaftlerin, gehörte es damals, ihre Schulungen direkt vor Ort auf Genossenschaftsfarmen durchzuführen. Frau Huang hatte das umfangreiche Wissen, das zum Betreiben einer Perlenfarm notwendig ist, in einem Lehrbuch zusammengefasst. 1979 importierte Japan 3.109 Kan (22.658 Kilogramm) aus China, 1974 waren es 155 Kan (581 Kilogramm) gewesen. Demnach hat innerhalb von 5 Jahren eine Steigerung von 2.006 Prozent stattgefunden. Japan kaufte fast die gesamte chinesische Produktion zu stabilen Preisen auf und exportierte sie nach der Verarbeitung im eigenen Land wieder.
1980 gingen die Chinesen unter der Aufsicht der zuständigen Regierungsorganisation, der China National Arts and Crafts Import and Export Corporation, dazu über, die Perlen selbst zu vermarkten. In den europäischen Ländern und den USA betrauten sie spezielle Vertretungsorganisationen mit dieser Aufgabe, in Deutschland war es die China Jewelry GmbH in Bremen und ab Mitte der achtziger Jahre die Shangai Overseas Trading Corporation S. A. In Frankfurt/Main. 1981 war Deutschland nach den USA, wo die chinesischen Perlen bereits 75 Prozent des Umsatzes einnahmen, der bedeutendste Abnehmer. Nach Angaben der China Jewelry GmbH in Bremen beliefe der Direktverkauf sich 1981 schon auf 2 Millionen US-Dollar, 1979 hatte er nur bei 500.000,00 U-Dollar gelegen. In diesem Jahr konne ein Juwelier aus Wisconsin noch ungläubig die Frage stellen, ob denn diese komischen Perlen allen Ernstes in New York getragen werden.
Die chinesischen Handelsorganisationen starteten eine gezielte Kampagne zur Öffentlichkeitsarbeit und versuchten anfangs, die Perlen als ‚Shanghai Lake Freshwater Pearls‘ zu vermarkten. Damit wollten sie ein Pendant zum japanischen Biwa-See schaffen, dessen Blütezeit gerade überschritten war, allein diese Tatsache verhalf der chinesischen Industrie zum entscheidenden Durchbruch. Die Farbigkeit und die barocken Formen der Perlen entsprachen noch ganz dem Trend der siebziger Jahre, in denen die Schmuckträgerinnen gelernt hatten, dass Perlen nicht mehr länger rund und weiß sein müssen.
Die Preise waren günstig, aber zunächst trotz der rapide steigenden Umsatzzahlen stabil. Der Markt nahm die Perlen begeistert auf, ein Grund dafür mag auch der hohe Goldpreis jener Zeit gewesen sein, der nach neuen, farbigen Materialien verlangte. Als Anfang der achtziger Jahre renommierte Schmuckdesigner zu den farbigen Perlen griffen, war die Gefahr endgültig gebannt, dass man in den Perlen nur einen preisgünstigen Ersatz für Gold und Diamanten sehen könnte.
1982, etwa 10 Jahre nach dem ersten offiziellen Auftritt auf dem Weltmarkt, hatte sich die Perle in der westlichen Welt etabliert. In diesem Jahr veranstaltete die China Jewelry GmbH in Zusammenarbeit mit dem Zentralverband für das Juwelier-, Gold- und Silberschmiedehandwerk der Bundesrepublik Deutschland den Schmuckwettbewerb ‚Rund um die China-Perle‘ mit dem zur Gestaltung von Schmuckstücken aufgerufen wurde, die ‚die großen Farben- und Formenvielfalt in künstlicher Verarbeitung zur Geltung bringen sollten‘. Hier muss darauf hingewiesen werden, dass die Bezeichnung ‚China-Perle‘ und ‚Süßwasserperle‘ , die von den Veranstaltern des Wettbewerbs noch unbekümmert verwendet wurden, nicht den Vorschriften des CIBJO- Perlbuches entsprachen. 1982 galten noch die Bestimmungen von RAL 560 A 5, die allerdings ebenfalls vorschreiben, dass Zuchtperlen unmissverständlich als solche zu deklarieren sind. In weiten Kreisen der Schmuckbranche war damals eine gewisse Nachlässigkeit , kombiniert mit Unwissenheit, anzutreffen. Durch gezieltes Eingreifen von Branchenverbänden ist heute ein besseres Bewusstsein für die Notwendigkeit korrekter Bezeichnungen dem Verbraucher gegenüber vorhanden. Damals wurde z. B. häufig auch von Frischwasserperlen gesprochen. Diese Wortschöpfung ist nichts anderes als die sprachlich nicht gelungene Übersetzung des englischen ‚Freshwater pearls‘ (= Süßwasserperlen). An dieser Stelle ist auch noch zu erwähnen, dass Ausdrücke wie ‚chinesische Biwa-Perlen‘ oder ‚chinesische Biwas‘ nicht verwendet werden sollen, auch wenn die Bezeichnung ‚Biwa‘ in der Umgangssprache des Handels zu einem Synonym für Süßwasserzuchtperlen geworden ist.
1982 drückten die Japaner bereits öffentlich ihre Besorgnis darüber aus, dass durch den Alleingang der Chinesen ein Preisverfall eintreten könne. Im gleichen Jahr begannen die Preise zu sinken, von jetzt ab gingen auch die Qualitäten zurück und es dominierte mehr und mehr die billige Reiskornform mit der unregelmäßigen und faltigen Oberfläche. 1984 wurde sie in kolossalen Mengen so hemmungslos auf den Markt geworfen, dass die Preise einen nicht vorhersehbaren Tiefstand erreichten. Chinesische Perlen waren jetzt billiger als Modeschmuck, sie waren zum Inbegriff für Billigschmuck geworden. Zu allem Überfluss wurden sie auch noch in schreienden Blau-, Grün-, Rosa-, Lila- und Gelbtönen gefärbt. In Kanton, Hongkong oder Bangkok wurden die ‚Rice Crispies‘ für ein paar Dollar pro Strang den Touristen geradezu nach geworfen, und bei den großen Perlenfirmen in Hongkong gab es Lagerräume, in denen die Perlen gleich kübelweise aufbewahrt wurden. Auf dem europäischen und amerikanischen Markt war es nicht viel anders, Billigläden und Kaffeeröster boten die Perlen zu Dumpingpreisen an.
In den achtziger Jahren setzte im Nahen Osten eine Nachfrage nach den so genannten ‚Flats‘ ein, das sind Perlen mit einer abgeflachten Stelle. Sie sehen den Naturperlen aus dem Persischen Golf ähnlich und fanden jetzt in den islamischen Ländern, in denen Perlen traditionsgemäß zur Mitgift gehören, einen neuen Markt.
Die chinesische Vermarktungspolitik der achtziger Jahre hat den Zuchtperlen einen nicht wieder gutzumachenden Imageschaden zugefügt, Kenner des Landes sehen in dem kurzsichtigen Verhalten eine Folge der Kulturrevolution. Als die Preise für die immer schlechter werdenden Perlen immer weiter sanken, erhöhten die Farmer ihre Produktion, um den Verlust auszugleichen. 1988 betrug die Jahresproduktion etwa 75 bis 80 Tonnen, für 1987 wird sogar von 120 Tonnen gesprochen. Hongkong war zum wichtigsten Handelsplatz geworden, aber gute Qualitäten gab es Ende der achtziger Jahre nicht mehr. 80 Prozent der Perlen kamen jetzt aus der so genannten Kurasu-Muschel, zu der die Farmer um 1980 übergegangen waren. Sie benötigt eine geringere Zuchtzeit als Hyriopsis cumingii, liefert aber qualitativ schlechtere Perlen.
Auch in Osteuropa kam schnell der Erfolg
Nach dem Fall des eisernen Vorhangs taten sich in Osteuropa ungeahnte neue Märkte auf. Die ersten westdeutschen Schmuckhändler waren bereits wenige Tage nach der Öffnung der Grenze zur Stelle, um ihre Brüder und Schwestern von drüben mit alten Lagerbeständen an spottbilligen Reiskornketten zu beglücken. Auch in den Juwelierläden von St. Petersburg und Moskau gehörten die chinesischen Billigperlen bald zum festen Repertoire.
Eine entscheidende Änderung bahnte sich 1992 an. Im Februar 1992 waren in Tucson zum ersten Mal weiße, fast runde Perlen in Größen von 4mm – 5mm zu sehen, die eine glatte Oberfläche aufwiesen. Sie stellten nur etwa 5 bis 10 Prozent des Angebotes dar, aber sie bedeuteten eine wirkliche Überraschung. Für die noch nicht ganz runde Form fand man im Englischen die zutreffende Bezeichnung ‚Potato-shaped‘, auch ‚Egg-shaped‘ war zu hören. In den frühen Achtzigern waren zwar vereinzelt weiße und farbige Perlen in symmetrischen Boutonformen mit flacher Grundfläche auf dem Markt zu beobachten gewesen, aber niemand hatte mit einer Verbesserung dieser Form und einer Serienproduktion gerechnet. Im September 1992 wurden in Hongkong bereits beachtliche Mengen der ‚Potatoes‘ angeboten.
Die Qualitätsverbesserung mit der China wieder an seinen Status von vor 1980 anzuknüpfen hoffte, war durch einen Wechsel in der verwendeten Muschelart möglich geworden, die Züchter hatten wieder auf die ursprünglich von Prof. Xiong verwendete Hyriopsis cumingii zurückgegriffen.
Die Händler fanden schnell Gefallen an den natürlich aussehenden neuen Zuchtperlen, und der internationale Perlenmarkt stellte Vergleiche mit den ‚Biwa-Perlen‘ an. Die Preise für die neuen chinesischen Perlen lagen zwar nur im Bereich von 25 bis 30 Prozent der japanischen Akoya-Preise, aber es waren keine Schleuderpreise mehr. Der allergrößte Teil der Perlen wurde jetzt wieder nach Japan verkauft und die Japaner begannen bereits eine ernsthafte Bedrohung für den Akoya-Markt zu sehen. Die chinesische Regierung ließ verlauten, dass sie dieses Mal gegen die Gefahr einer Überproduktion regulierend eingreifen werde. Im Januar 1993 entfiel die Exportkontrolle für Perlen, seither kauften mehr europäische und amerikanische Firmen direkt in China ein, aber Hongkong blieb das Zentrum des Marktes. Im Januar 1994 erfolgte eine weitere Liberalisierung des Handels, die zunächst zur Gründung von weiteren Farmen führte. Die neuen Farmen verfielen schnell in die alten Fehler, und das daraus resultierende Überangebot an Boutons und Reiskornformen führte bis in das Jahr 1995 hinein wieder zu einem Preisverfall, im September 1995 lagen die Preise unter den Herstellungskosten. Die Nachfrage für die gerundeten Formen überstieg weiterhin das Angebot, aber die Preise gingen im Laufe des Jahres ebenfalls leicht zurück. Das abermalige Chaos des chinesischen Marktes wurde jetzt allein daran deutlich, dass Ketten zwischen einem und mehreren hundert US-Dollar angeboten wurden. Die Jahresproduktion war inzwischen auf 500 Tonnen angestiegen.
1995 erstmal wirklich runde Qualitäten
Im Juni 1995 wurden auf der JCK-Show in Las Vegas, einer führenden amerikanischen Schmuckmesse, zum ersten Mal wirklich runde, kernlose Süßwasserzuchtperlen in Größen von 3,5 mm – 4 mm angeboten. Die Perlen, die zudem noch einen sehr guten Lüster zeigten, führten zum schlagartigen Ansteigen des Interesses, obwohl zu diesem Zeitpunkt nur von einer Jahresproduktion von etwas 200 Momme (750 Gramm) ausgegangen wurde.
Die chinesische Regierung setzte 1995 eine Exportkontrolle ein, die nicht das gewünschte Resultat zeigte, sondern dazu führte, dass etwas zwei Drittel der Produktion aus dem Land geschmuggelt wurden. Im September 1995 hatte die Menge in Hongkong bereits eine Tonne erreicht. Die Regierung beschloss Maßnahmen zur Qualitätsverbesserung und ging dazu über, Anteile an größeren Farmen zu erwerben, die wiederum kleinere Farmen aufkaufen sollten. 1995 wurde der Anteil an annähernd runden Perlen bereits anteilig auf 15 Tonnen geschätzt.
1996 blieben die Preise für runde und annähernd runde Perlen und für große Reiskorn- Perlen stabil, weil die Nachfrage auf dem internationalen Markt stieg und die Perlenfabriken in China ihre Produktion drosselten. In den niederen Qualitäten hielt die Überproduktion nach wie vor an und Ende 1996 war die chinesische Süßwasserzuchtperlenindustrie mit etwa 70 Millionen US-Doller verschuldet. Es war jetzt für fahrende Händler ein Leichtes geworden, die Perlen im Tausch gegen Fernseher oder Radios direkt auf den Farmen zu erwerben. In Hongkong gab es jetzt mehr als 70 Firmen, die sich auf insgesamt über 400 Kategorien von chinesischen Süßwasserzuchtperlen spezialisiert hatten. Der amerikanische und europäische Markt verloren das Interesse an Perlen von mittlerer bis unterer Qualität. Die USA bevorzugten im Gegensatz zu Europa chinesische Akoya-Zuchtperlen. Es wird berichtet, dass einige Händler in Hongkong einen satten Gewinn machten, dass sie annähernd runde Süßwasserzuchtperlen als Akoya-Zuchtperlen verkauften. Im Laufe des Jahres 1996 wurden die ersten fast runden Ketten in Größen von 8 mm – 11 mm angeboten. Damit bahnte sich eine Entwicklung an, die 1997 voll zum Tragen kommen sollte.
In der Zwischenzeit hatten die größeren Exporteure in Hongkong erkannt, dass sie selbst Maßnahmen ergreifen mussten, um die Züchter davon zu überzeugen, qualitativ anspruchsvolle Ware zu züchten. Sie begannen, regelmäßige Treffen in China durchzuführen, die von Schulungen begleitet waren. Die vielen kleinen verschuldeten Farmer waren zu einem Problem geworden, nachdem ein Hilfsprogramm der chinesischen Regierung zur Vermittlung günstiger Kredite fehlgeschlagen war. Von 200 Farmern verschwanden 80 einfach, nachdem sie sich von dem Geld teure Autos gekauft hatten. Andere verbrauchten das Geld, ohne sich um eine Verbesserung der Zuchtmethoden zu kümmern und produzierten weiter zu große Mengen an geringen Qualitäten. Die Banken sperrten daraufhin die Kredite wieder, und die Regierung beschloss, das Perlengeschäft wieder sich selbst und den Gesetzen des Marktes zu überlassen. Dies hat dazu geführt, dass die meisten Farmer, an ein jahrzehntelanges Unterdrückungssystem gewöhnt, sich bis heute nicht aus eigener Kraft aus dem Teufelskreis der Armut befreien konnten.
Im Februar 1997 bot eine führende amerikanische Firma zum ersten Mal Ketten mit vollkommen runden Perlen in der Größe von 9,5 mm an und Mitte 1997 wurden in Hongkong Perlen von 13,5 mm Größe gezeigt.
Die großen Perlen mögen das Resultat ungewollt längerer Zuchtzeiten aus den Jahren 1994 bis 1995 gewesen sein, weil die Farmer die Muscheln einfach länger im Wasser beließen um auf bessere Preise zu warten. Der Besitzer der Waitang Pearl Factory berichtete im November 1997, dass die Mittelsmänner in China über die Preise auf dem internationalen Markt sehr wohl informiert sind. Ende 1997 lagen sie noch im Bereich eines Viertels bis Drittels der japanischen Akoya-Preise, aber für chinesische Verhältnisse waren sie zu hoch. Nach Meinung von Insidern war die chinesische Regierung zu diesem Zeitpunkt von den großen Perlen wenig begeistert, weil sie darin kein großes wirtschaftliches Massenpotential für die Zukunft sehen konnte.
Die Jahresproduktion für 1998 wird mit 750 bis 850 Tonnen angegeben. Für 1999 wurden 800 bis 900 Tonnen genannt. Es ist schwer zu sagen, ob diese Zahlen stimmen. Frau Huang Rui Jing bezweifelte ihrerseits, dass die Jahresproduktion bis 1997 überhaupt jemals 250 Tonnen überschritten habe, aus Händlerkreisen ist dagegen häufig zu hören, dass die wirkliche Produktion noch weit über den halboffiziellen Zahlen liege.
Heute stellen die kommerziellen bis geringen Qualitäten immer noch fast 80 bis 90 Prozent der Produktion dar. Sie richten auf dem Markt aber keinen Schaden mehr an , weil sie über Television Shoppinig Networks verkauft werden oder in Länder der Dritten Welt gehen, eine großer Teil findet innerhalb Chinas in Form von kunstgewerblichen Arbeiten Verwendung. Mit einem weiteren Preisverfall ist nicht zu rechnen, da die Preise sich wie eh und je auf dem Tiefpunkt bewegen und oft im Bereich von nur wenigen US-Dollar pro Kette liegen. Selbst die oberste Grenze kann noch mit weit unter 100 US-Dollar angesetzt werden.
Die Preise für gute Qualitäten in annähernd runder Form oder für größere Perlen in unrunden Formen sind relativ stabil, obwohl auf dem Markt häufig Sonderangebote zu beobachten sind. Insgesamt nehmen die ‚Potatoes‘ und ovalen bis eiförmigen Perlen etwa 10 bis 20 Prozent der Produktion ein und etwas 3 Prozent sind annähernd rund. Die Preise sind breit gestreut und gehen von unter 100 US-Dollar bis zu einigen 100 Dollar pro Kette.
Perfekt runde Perlen stellen immer noch eine Seltenheit dar, dabei sind unterschiedliche Zahlenangaben zu hören. Der Anteil an Größen von über 8 mm liegt wahrscheinlich bei unter 1 Prozent. Nach Meinung von Händlern in Hongkong kommen auf 20 Tonnen nur etwas 500 Gramm, das entspräche einem Prozentsatz von 0,0025. Perlen von 7 mm bis 8 mm Größe sollen etwa ein Prozent der Produktion einnehmen, Größen von 5 mm – 6 mm und 3 mm – 4 mm etwa 3 Prozent. Die Preise, die zunächst etwa im Bereich von einem Viertel, dann im Bereich von der Hälfte von von japanischen Akoya-Perlen lagen, haben diese längst erreicht und teilweise überstiegen. Jetzt gibt es für Größen von mehr als 10 mm bereits Überschneidungen mit den Südsee-Preisen, diese feinen chinesischen Perlen stellen im Jahr 2000 die Überraschung des internationalen Perlenmarktes dar. Dieser Markt wird nach wie vor von Japan beherrscht, Ende 1998 wurde eine rosafarbige, 13,8 mm große Perle in Tokio für 4.000 US-Dollar verkauft. Im September 1999 erreichte eine dunkelviolette Perle von 15 mm Größe in Hongkong den Preis von 18.000,00 US-Dollar. Auf der September-Messe war auch ein Collier für 85.000,00 US-Dollar zu sehen, das im Februar 2000 in Tucson ebenfalls ausgestellt worden ist.
Die genannten hohen Preise stellen Ausnahmen dar, die für Perlen von absoluter Perfektion gelten. Sie dürfen nicht darüber hinwegtäuschen, dass es im Bereich zwischen perfekt rund und annähernd rund eine breite Variante von Preisen gibt, die bis in erschwingliche Preislagen hineinführt. In Asien und insbesondere in Japan haben führende Schmuckhersteller und Juweliere bereits Ende 1998 Kampagnen gestartet, um die besseren Süßwasserzuchtperlen in das Bewusstsein der Öffentlichkeit zu rücken. In Japan wurden namhafte Designer mit der Kreation von Schmuckstücken beauftragt. In Hongkong hat ein führendes Unternehmen zum vierzigjährigen Jubiläum der Barbie-Puppe Verlaufketten im Stil der fünfziger Jahre herausgebracht, die aus farbigen Süßwasserzuchtperlen in Größen von 9 mm – 13 mm bestehen, der Ladenpreis liegt im Bereich von etwa 3.000,00 US-Dollar.
Die erfreulichen Entwicklung darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Zustand der Zuchtperlenindustrie innerhalb Chinas immer noch chaotisch ist; es gibt keine Struktur und keine wirkungsvollen Kontrollen. Die japanischen Investitionen haben bis jetzt noch keine Reorganisation bewirken können, dagegen scheint die organisierte Kriminalität nach wie vor ihren Einfluss auszuüben.
Nach den Angaben der obersten Zollverwaltung in Peking hat China im Jahr 1998 Zuchtperlen im Wert von 55 Millionen US-Dollar exportiert. Die wirkliche Zahl wird höher liegen. Es wird von einem Umsatz im Bereich von 200 Millionen US-Dollar gesprochen. Wenn die Prognosen aus Expertenkreisen stimmen, dann wird China in 4 bis 5 Jahren eine Gesamtproduktion von 2.000 Tonnen erreicht haben , von der mindestens 10 Prozent, d. h. etwa 150 bis 200 Tonnen, in der Qualität gut sein werden. Sollte der Anteil der sehr guten Perlen auch weiterhin 2 bis 3 Prozent betragen, dann kann mit einer Jahresproduktion von 30 bis 60 Tonnen gerechnet werden.
Die Prognosen gehen dahin, dass Größen von 6 mm – 7 mm in einigen Jahren die Akoya-Zuchtperlen ersetzt haben werden und dass das Gleiche nach zehn Jahren auf Größen von 8 mm – 9 mm zutreffen wird. Die Größen von über 10 mm und insbesondere die noch relativ neuen Größen von 15 mm – 16 mm werden wahrscheinlich in nächster Zukunft endgültig in die Höhen der Südseezuchtperlen vorstoßen.
In der Zwischenzeit sind in den USA schon wieder die ersten Unkenrufe zu hören, die davor warnen, dass die Chinesen es in Wiederholung ihrer alten Fehler fertigbringen könnten, eines Tages auch die feinen Perlen zu einem Massenprodukt zu machen. Im Mai 2000 war für Größen über 8 mm ein minimaler Preisrückgang zu beobachten.
Quelle: Elisabeth Strack „Perlen“, 2001